🎭 „Züge ohne Dringlichkeit“

Ein absurdes Schachspiel in 17 Zügen

Figuren: Weiß, Schwarz

(Ein leeres Schachbrett. Zwei Spieler. Keine Namen. Keine Zeit. Nur Bewegung.)


Prolog

(Ein Schein. Vielleicht Licht. Vielleicht nur das, was Licht hätte sein können.)

Stimme (aus dem Off, ruhig, ohne Dringlichkeit):

Sie sitzen.
Sie stehen.
Sie wissen nicht, wer zuerst gezittert hat.

Der Raum ist bereit.
Oder war es immer der falsche?

Die Figuren sind da.
Nicht, weil sie wollen.
Weil sie müssen.

Eine Bewegung beginnt.
Aber wohin?
Warum jetzt?
Warum überhaupt?

(Stille. Vielleicht ein Hauch von Atmen. Dann beginnt das Spiel.)


Szene 1
Zug 1

Weiß (sanft, zögernd):
„Ich öffne...“
(spielt e3)

Schwarz (leise, nachahmend):
„Ich ebenfalls...“
(spielt e6)

Szene 2
Zug 2

Weiß (tritt mit erhobener Hand vor):
„Vielleicht... du?“
(zieht Qh5)

Schwarz (spiegelt, aber wendet den Blick leicht ab):
„Vielleicht... nein.“
(zieht Qh4)

Szene 3
Zug 3

Weiß & Schwarz (gleichzeitig, fast flüsternd):
„Schließen. Nur für mich.“
(zieht h3 / h6)

Szene 4
Zug 4

Weiß (steht auf, ohne Grund):
„Ich gehe.“
(zieht Ke2)

Schwarz (folgt mechanisch):
„Ich auch.“
(zieht Ke7)

Szene 5
Zug 5

Weiß (sucht etwas unter dem Tisch):
„Vielleicht ein Gedanke.“
(zieht Nf3)

Schwarz (zeigt auf die Luft):
„Vielleicht ein Bild.“
(zieht Qf6)

Szene 6
Zug 6

Weiß (leert einen imaginären Raum):
„Platz... für etwas.“
(zieht d4)

Schwarz (stellt sich schützend vor das Nichts):
„Ich halte dagegen.“
(zieht d6)

Szene 7
Zug 7

Weiß & Schwarz (im Wechsel, spiralförmig um das Zentrum):
„Ich bin da.“
(Nc3 / Nc6)

Szene 8
Zug 8

Weiß (zeigt auf seinen Läufer):
„Er soll... sprechen.“
(zieht Bd2)

Schwarz (nickt, aber bleibt regungslos):
„Dann soll er sprechen.“
(zieht Bd7)

Szene 9
Zug 9

Weiß (setzt sich aufrecht hin):
„Bereit.“
(zieht Re1)

Schwarz (tut das gleiche):
„Bereit.“
(zieht Re8)

Szene 10
Zug 10

Weiß (steht auf, dreht sich im Kreis):
„Nein, doch hier...“
(zieht Kd1)

Schwarz (spiegelt):
„Auch hier nicht.“
(zieht Kd8)

Szene 11
Zug 11

Weiß & Schwarz (wieder im Gleichklang):
„Noch ein Schritt. Vielleicht dann.“
(Kc1 / Kc8)

Szene 12
Zug 12

Weiß (zeigt auf das Off):
„Siehst du das?“
(zieht Qg4)

Schwarz (sieht weg):
„Ich sehe es auch.“
(zieht Qg6)

Szene 13
Zug 13

Weiß (schlägt, aber mit Reue):
„Verzeih.“
(Qxg6)

Schwarz (schluckt):
„Es war nötig.“
(fxg6)

Szene 14
Zug 14

Weiß (schiebt einen Stein nach vorn):
„Ich bewege.“
(d5)

Schwarz (gibt nach):
„Ich auch.“
(exd5)

Szene 15–16
Züge 15–16

Weiß (zieht den Springer, mit Frage im Blick):
„Du meinst... so?“
(Nxd5, dann Nxe7+)

Schwarz (bewegt sich kaum):
„Wenn du willst.“
(Nce7, dann Nxe7)

Szene 17
Zug 17

Weiß (setzt den Läufer, vorsichtig, fast zärtlich):
„Ich... bin hier.“
(Bd3)

Schachbrett Szene 17

Schwarz (schiebt den g-Bauern mit letzter Kraft):
„Ich fülle den Raum. Doch er bleibt leer.“
(g5)

(Licht aus. Keine Sieger. Keine Verlierer. Nur zwei Figuren, die langsam verschwinden.)

🕯️ Epilog

(Das Brett ist leer. Keine Figuren. Kein Licht. Vielleicht nur das Echo einer Bewegung.)

Stimme (aus der Dunkelheit, kaum hörbar):

Sie haben gespielt.
Oder standen sie nur still?

Ein Zug,
dann ein anderer.
Dann keiner mehr.

Sie waren da.
Oder war das schon das Verschwinden?

Der Raum bleibt.
Still.
Wartend.

Vielleicht beginnt es wieder.
Vielleicht war das alles.

Vielleicht war es genug.

Das verschwundene Spiel

Partie zum Nachspielen mit ausführlichen Kommentaren